Lycopin in Bartiris

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Harald
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Lycopin in Bartiris

Beitrag von Harald »

Lycopin in Bartiris.

Als in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Sämlingsbeeten der Züchter flamingo-rosa Sämlinge auftauchten, erregten sie großes Aufsehen. Da war plötzlich eine Farbe entstanden, die völlig neuartig war, auch der mandarin-rote Bart wurde als sehr attraktiv empfunden. Bisher hatte man geglaubt pinkfarbene Iris über helllila, vielleicht vermischt mit etwas Gelb, erzeugen zu können. Es war nur natürlich, dass sich die Züchter intensiv mit der neuen Farbe beschäftigten. Schnell fand man heraus, dass sie durch einen Farbstoff verursacht wurde, den man schon von reifen Tomaten (Lycopersicum) her kannte, nämlich Lycopin.
Lycopin ist nicht zellsaftlöslich wie blaue Anthocyane, sondern ist, wie das Karotin in gelben Blüten, in den Plastiden (1) der Petalen (2) lokalisiert. Beide Pigmente sind chemisch nahe ver-wandt und kommen meist zusammen in den Blüten vor. Das Vorhandensein von Karotin scheint sogar eine Voraussetzung zu sein für die Produktion von Lycopin, indem der sog. t-Faktor (t von tangerine = Mandarine) vorhandenes Karotin zu Lycopin umbaut. Er verhält sich in Kreuzungen rezessiv (3) zu anderen Farben. Wenn der t-Faktor nicht in allen vier Chromosomensätzen vorhanden ist, kann die Farbe nicht in Erscheinung treten. Früher hat man geglaubt, dass die Bartfarbe und die Farbe der Petalen auf die Wirkung eines einzigen Gens zurückzuführen sei, aber heute gibt es mandarinrote Bärte auf allen Petalfarben.

Das Erscheinen von Lycopin ist auch deshalb sensationell weil es noch nie in einer wilden Bartiris gefunden wurde. Das könnte bedeuten, dass es sich um eine Mutation handelt. Es gibt aber auch einen anderen Erklärungsversuch: Das dem Lycopin verwandte Karotin findet sich allein in den Blüten der diploiden Iris variegata, zumindest kommt nur diese in Betracht die gelbe Farbe in die modernen Gartenhybriden eingebracht zu haben. Da sie aber als Diploide den t-Faktor nur zweimal haben kann, ist sie nicht fähig Lycopin zu produzieren. Erst als I. variegata-Abkömmlinge auf das tetraploide Niveau kamen, wurden Lycopin-pinks möglich.

Aber was ist mit den Barbata nana (SDB)? Da gibt es doch auch Pinks, obwohl sie zwei Chromosomensätze von Iris pumila in ihren Zellen haben. Die echte Iris pumila ist tetraploid, sie müsste also fähig sein, Lycopin zu produzieren, wenn sie den t-Faktor hätte. Tatsächlich aber gibt es keine Pumila, die lycopinfarbig wäre. Dagegen übertreffen die feuerroten Bärte einiger SDBs die Bärte der pinkfarbenen TBs um einiges an Intensität, obwohl die Petalen immer einen Stich ins Orange haben.

Es gibt noch eine andere Merkwürdigkeit bei den Pinks. Warum gelingt es nicht den Farbton zu vertiefen. Dunkelblaue Iris sind durch Auslese immer dunklerer Typen nun fast kohlschwarz zu haben, aus Gelb wurde Orange und Braun. Warum geht das nicht bei den Pinks?

Ich werde den Verdacht nicht los, dass da noch etwas Anderes im Spiel ist, von dem wir noch nichts wissen.

1) Plastiden = meist eiförmige Organellen in Pflanzen- (auch Blütenblatt-) zellen.
2) Petalen = Blütenblätter.
3) rezessiv = nicht in Erscheinung tretend, Gegensatz von dominant.


Harald
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ChristianO
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Re: Lycopin in Bartiris

Beitrag von ChristianO »

Wirklich interessant, Harald. :)
Wo sind denn die ersten Pinks aufgetaucht?
Und wenn Du sagst, dass mehr dahinterstecken könnte, hast Du dann eine Vermutung?
Liebe Grüße
✿✿✿✿✿
Christian
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Martin
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Re: Lycopin in Bartiris

Beitrag von Martin »

Hallo Harald,

mit Interesse habe ich Deinen Artikel über das Lycopin in der Iris gelesen. Vielleicht wird die Fähigkeit das Lycopin in größerer Menge zu bilden von weiteren Farbstoffen, sogenannten Co-Pigmenten beeinflußt. Ich bin nur Laie in der Zucht von Iris. Aber vielleicht gibt es in der Gruppe der Flavone, eine dem Lycopin verwandten Farbstoff, der zu einer Verstärkung der roten Farbe führt. Man kennt dies ja bei Anthocyanidinen in Blüten, das bei Vorhandensein von Flavonen verstärkt wird. Warum sollte dies nicht auch bei unserer „Rotbärtigen“ Iris zutreffen? :?


Als Anthocyanidine bezeichnet man eine Gruppe von Pflanzenfarbstoffen. Darunter finden sich viele bekannte Farbstoffe, wie das bekannte Delphinidin und Malvidin (zuständig für die Farben purpurrot bzw. blau), sowie das Paeonidin (rot), um nur einige zu nennen.

Flavone (sogenannte Co-Pigmente) sind eine Gruppe von gelben Pflanzenfarbstoffen.
Viele Grüße
Martin
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Harald
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Re: Lycopin in Bartiris

Beitrag von Harald »

Hallo Martin und Christian,

seit etwa 1950 sind schätzungsweise Millonen von Kreuzungen gemacht worden, aber dunklere Pinks sind nicht aufgetaucht. Kenntnisse über die Existenz von Pigmenten und Copigmenten helfen da nicht weiter. Zuerst kommt die Kreuzung, dann das Ergebnis, und dann versucht man das Ergebnis zu interpretieren. So werden dann alle Erkenntnisse über Vererbung immer empirisch gewonnen. Die Vererbung der Farben ist extrem kompliziert und schwer durchschaubar, und solange keine eindeutigen Beweise vorliegen, müssen wir uns mit Vermutungen zufrieden geben. Dass es in der praktischen Züchtung immer wieder Überraschungen gibt, ist ein Beweis für die unausschöpfliche Vielfalt der Natur, die der Züchter nur herauskitzeln muß.
Die Frage wo diese neuen Pinks zuerst auftauchten ist nicht eindeutig zu beantworten, zumal die ersten Pinks unsauber, mit Anthocyan-Spritzern verunreinigt waren. Offensichtlich geschah das bei amerikanischen Züchtern und bemerkungsweise kurz nachdem die tetrapoiden Gartenformen Standard geworden waren.

Freundliche Grüße,
Harald.
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Tetje
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Re: Lycopin in Bartiris

Beitrag von Tetje »

Harald hat geschrieben:
Ich werde den Verdacht nicht los, dass da noch etwas Anderes im Spiel ist, von dem wir noch nichts wissen.
Lieber Harald,

es macht mir immer eine große Freude deine exellenten und lehrreichen Beiträge zu lesen.

Hast du hier eine Vermutung?
Hast du ein Foto von der diploiden Iris variegata?
Viele Grüße
Tetje

„Habt Ehrfurcht vor der Pflanze, alles lebt durch sie!“
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Harald
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Re: Lycopin in Bartiris

Beitrag von Harald »

[img] :D :o Hallo zusammen,
ich denke, eines Tages findet irgendein Züchter einen Sämling, den man als stärker pigmentiert ansehen kann. Inzwischen hier ein paar Fotos zur Illustration:
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